Für visuelle Botschaften,
die ankommen.
KUNST
Monument Ginger Society Thun
Kunstmuseum Thun, 2010
INSTALL ACTION
«Gründungsakt Ginger Society Thun, 20 Juni 2010 Kunstmuseum Thun, «Utopie & Alltag: Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Bildung», 17. Juli bis 5. September 2010 Gründungkonzert des Ginger Ensembles anlässlich Finissage 05. September 2010
Bauen – Bilden: Mit dem Errichten eines Rieseningwers treibt die am 20. Juni 2010 im Thunerhof ins Leben gerufene Ginger Society Thun ein eigentlich vertracktes Spiel: Für ein nicht – hierarchisches Objekt – als dessen Metapher der Ingwer in seiner botanischen Bestimmung als Rhizom steht – wird ein Monument auf Zeit gebaut. Monumente werden in der Regel zur Erhöhung von Führerpersönlichkeiten erstellt, Gotteshäuser werden monumental erbaut; Machtanspruch demonstriert. Als Monument (von lateinisch «monere» erinnern; «mens» Sinn) wird ein bedeutendes oder wichtiges Denkmal von grossen Massen bezeichnet, im Besonderen soll ein Monument das Andenken an historisch bedeutende Personen oder Ereignisse in dauernder Weise erhalten. Ja richtig, wir erinnern an Bedeutendes und huldigen dem Ingwer, seiner edlen Schärfe!
Bedeutendes: Ende der 70er-, Anfang der 80er Jahre tauchte plötzlich im Kunstkontext ein seltsames Wort aus der Botanik auf: Das Rhizom. Gilles Deleuze und Félix Guattari ziehen in ihrem berühmt gewordenen Buch «Rhizom» (1974) die Eigenschaften rhizomatischer Pflanzenstrukturen als Alternative zum hierarchischen Wissensmodell des Baumes heran, weil sie im Gegensatz zu Letzterem offen seien für mögliche Veränderungen der Sichtweise wie etwa Verschiebungen der Forschungs- und Verstehensperspektive. Erlaubt sind also Überkreuzung und Überschneidungen und ein Zugehören von Elementen zu mehreren Ordnungsebenen. Mit ihrem Aufruf zu einem nicht abgeschlossenen Denken in Vielheiten («Macht Rhizome und keine Wurzeln! Seid nicht eins oder viele, seid Vielheiten!») formulierten Deleuze/Guattari eine kritische Herangehensweise an strukturierende Begriffe, normative Vorstellungen und theoretische Prinzipien. Bestehende Strukturen und Diskurse sollten weniger als statische und stabile Gebilde gesehen, sondern der Blick stärker auf die historischen Diskontinuitäten, Brüche und vor allem auf die Konstruktionsbedingungen von Strukturen gerichtet werden.
Hält man einen Ingwer in der Hand, lässt sich kaum feststellen, wie er gewachsen ist; Ausstülpungen nach allen Seiten, was oben und unten, was links oder rechts ist, lässt sich kaum mit Sicherheit bestimmen. Der Ingwer wächst in alle Richtungen, wo er Platz und Nährstoff findet bildet er ein weitverzweigtes Speichernetz. Rhizomatische Strukturen sind heute allgegenwärtig, Wikipedia ist hierfür ein anschauliches Beispiel: Es lassen sich zwar bestimmte Ordnungsstrukturen innerhalb dieser Wissenswelt schaffen, diese werden jedoch von internen Verknüpfungen und Verbindungslinien wieder untergraben.
Mit dem Bau des «Monument Ginger Society Thun» wird innerhalb der Ausstellung «Utopie und Alltag» eine Utopie auf Zeit gebaut – immer auch augenzwinkernd gedacht: Der Utopie – ihrer ursprünglichen Bedeutung nach eine Nicht - örtlichkeit (aus altgriechisch οὐ- ou- «nicht -» und τόπος tópos «Ort») – wird ein Ort im ehemaligen Speisesaal zugewiesen. Die Utopie wird hinlänglich als eine Wunschvorstellung verstanden, die sich dadurch auszeichnet, dass sie zwar denkbar und in vielen Fällen wünschenswert, vor dem jeweiligen historisch – kulturellen Hintergrund jedoch in vielen Fällen noch nicht oder nicht mehr realisierbar ist.
Mit der Errichtung des Rieseningwers wird eine Monumentalskulptur aus Dachlatten, Maschendraht und Papier-maché gebaut, deren Beständigkeit von intendierter Vergänglichkeit ist, deren Form zu komplex ist, um sie zu denken und deren Ausmass zu raumgreifend ist, um im Ganzen erfasst zu werden. Utopie erproben heisst in diesem Fall aber auch: Gemeinsam mit Leuten aus Thun an einem Körper bauen, gemeinsam während dreier Wochen einen möglichst nicht-hierarchischen Körper bilden.
Quelle: malyschilliger.ch
AUFTRAGGEBENDE
Valerian Maly, Klara Schilliger
MEINE AUFGABE
Als mich das Künstlerduo Maly Schilliger anfragte, ein geeignetes Konstruktionsprinzip für ihren gigantischen Ingwer zu finden, war ich sofort begeistert. Zuerst scannte ich einen echten Inwer per Laser-Scanner. Danach wurde die die resultierende Punktwolke als Oberfläche polygonisiert. Die geometrische Auflösung wurde dabei so gewählt, dass sich die Oberfläche mit einigen hundert Dreiecken approximieren lässt. Die Oberfläche aus einem Drahtgeflecht, Papier-maché und Packpapier glättete die facettierte Oberfläche. Auch die maximale Anzahl der Kanten, die sich in den Eckpunkten treffen, war wichtig: Das Objekt muss sich mit Dachlatten und Balken bauen lassen. Nebst meinem Laptop mit dem interaktiv drehbaren 3D-Modell mit nummerierten Polygonen lieferte ich eine Liste mit den Langenmassen der Dachlatten. Daraus baute das Team die Polygone. Es gab keinen traditionellen Plan. Inspiriert von Gilles Deleuze sowie den parallel arbeitenden Pipelines aktueller Grafikprozessoren, unterteilte ich die Oberfläche in einzelne Sub-Objekte. So konnten die Teams parallel und unabhänhig von einander arbeiten, bevor die Teile im Ausstellungsraum zusammengesetzt wurden.
DANK
Valerian Maly, Klara Schilliger, Claude Aebersold, Sphere Design, Bern, Walter Tschanz/Coop Bau und Hobby Thun - Strättligen, Ludwig Scheidegger/BAG Frutiger AG Thun, Hugo Ryser und Manuel Schüpfer/Media Lab HKB, Urs Gehbauer/Werkstattleiter HKB, Sepp Rüeggsegger, Oberdiessbach, Kultur Stadt Bern, Amt für Kultur/Kanton Bern, Stadt Thun




Projects

















































